Patienteninformationen

Chronische, lymphozytäre Thyreoiditis

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Chronische, lymphozytäre Thyreoiditis

Unter den Schilddrüsen-Erkrankungen kennen wir zwei sog. Autoimmunkrankheiten, von denen die eine mit einer übermäßigen Hormonausschüttung (Schilddrüsen-Überfunktion, Hyperthyreose) einhergeht und Basedowsche Erkrankung genannt wird und die andere zu einer Selbstzerstörung der Schilddrüse und damit Versiegen der Hormonproduktion (Schilddrüsen-Unterfunktion, Hypothyreose) führen kann. Diese Erkrankung wird chronische, lymphozytäre Thyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis) genannt und ist die häufigste Ursache für eine im Laufe des Lebens entstehende Schilddrüsen-Unterfunktion. Die Ursache beider Erkrankungen ist ein fehlgesteuertes Immunsystem, das Antikörper gegen körpereigene Schilddrüsenzellen bildet. Normalerweise reagiert das Abwehrsystem mit einer Antikörperbildung z.B. nur gegen eindringende Viren oder Bakterien um den Körper vor weiterem Schaden zu bewahren. Eine bekannte Autoimmunkrankheit, die gegen körpereigenes Gewebe gerichtet ist, ist z.B. das Rheuma. Weshalb das Immunsystem eigene Körperzellen wie z.B. Schilddrüsenzellen als „fremd“ erkennt und sie zerstört, ist noch Gegenstand intensiver Forschung. Neben einer genetischen Anlage dürften Alter, Geschlecht Umweltfaktoren wie Jodexposition oder Auseinandersetzung mit Viren eine Rolle spielen.

Da es sich um eine chronische und ohne Schmerzen einhergehende Erkrankung handelt, deren Symptome vielfach unspezifisch sind, wird die Erkrankung oftmals spät und nicht selten zufällig erkannt. Sie kann sich zum Beispiel lediglich durch Leistungsschwäche, Antriebslosigkeit, depressive Verstimmungen, unerfüllter Kinderwunsch, gesteigertes Schlafbedürfnis oder Gewichtszunahme als Ausdruck der allmählich versiegenden Schilddrüsenhormon-Produktion äußern.

Die chronische Schilddrüsenentzündung kann in zwei Varianten unterteilt werden: Die häufigere Variante geht mit einer Schrumpfung bis völligen Verschwinden der Drüse einher, während bei der selteneren Variante gleichzeitig eine Schilddrüsenvergrößerung (Kropf) beobachtet wird.

Die für den Zerstörungsprozess wahrscheinlich verantwortlich zu machenden Antikörper lassen sich im Labortest nachweisen. Für die Routine haben sich die Bestimmung der TPO-Antikörper (gerichtet gegen ein in der Schilddrüsenzelle angesiedeltes Enzym) sowie der Thyreo-globulin-Antikörper (gerichtet gegen eine Hormon-Eiweiß-Verbindung) durchgesetzt. Grundsätzlich gilt: Ein negativer Antikörperbefund schließt eine chronische Schilddrüsenentzündung nicht aus. Umgekehrt reicht der Nachweis von Antikörpern nicht aus, um die Erkrankung als bewiesen anzusehen. In Zweifelsfällen können der Ultraschallbefund – typischer- weise besteht ein fleckiges echoarmes Gewebsmuster – oder eine Feinadelpunktion mit einer Vermehrung von Lymphzellen und Plasmazellen weiterhelfen.

Wichtig ist zu wissen, dass die chronische Schilddrüsenentzündung infolge genetischer Veränderungen familiär gehäuft auftreten kann, so dass zu einer Untersuchung auch der Familienangehörigen geraten werden muss. Insbesondere sollten Kinder von Mütter oder Väter mit einer chronischen Schilddrüsenentzündung frühzeitig untersucht werden, da nicht erkannte und damit nicht rechtzeitig behandelte Unterfunktionen der Schilddrüse zu dauerhaften Entwicklungsdefiziten führen können.

Die chronische Schilddrüsenentzündung tritt nicht selten kombiniert mit anderen Autoimmunerkrankungen auf. So sollte beim Nachweis dieser Schilddrüsenerkrankung außerdem nach einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ I), nach einem Vitamin B12-Mangel (Perniciosa), nach einem Nebennierenrindenhormonmangel (Morbus Addison), nach der Weißfleckenkrankheit (Vitiligo) einem kreisrunden Haarausfall (Alopecia areata) und einem Calciummangel (Parathormonmangel) geforscht werden.

Welche Therapiemöglichkeiten haben wir? Im Gegensatz zu manchen anderen Autoimmunerkrankungen haben sich Medikamente, die das Immunsystem schwächen wie z.B. das Nebennierenrindenhormon Cortisol, als nicht wirksam erwiesen. Eine kausale Therapie, die das fehlgesteuerte Abwehrsystem korrigiert, ist nicht bekannt. Die Therapie der Wahl bei einer chronischen, lymphozytären Thyreoiditis mit einer Unterfunktion der Schilddrüse ist die dosierte Gabe von Schilddrüsenhormonen. Die Medikamenten-Dosis richtet sich hierbei nach dem Ausmaß der Unterfunktion. Besteht nur eine leichte Unterfunktion (latente Hypothyreose), so muss der Arzt im Einzelfall entscheiden, ob die Gabe von Schilddrüsenhormon angezeigt ist oder nicht. Bis zum Abschluss des Körperwachstums sollte jedoch auch bei nur leichter Unterfunktion in jedem Fall eine Hormongabe erfolgen. Sehr wichtig sind regelmäßige Nachuntersuchungen, da bei bis zu 50% der Patienten mit einer Autoimmun-Thyreoiditis im Laufe des Lebens ein weiterer Funktionsverlust der Schilddrüse zu beobachten ist und somit die Hormondosis gesteigert werden muss. Nach meiner Erfahrung haben sich bei Erwachenen Kontrollabstände von einem Jahr und bei Kindern und Jugendlichen Abstände von 3-6 Monaten bewährt. Das es sich um einen langsam progredienten Funktionsverlust handelt, sind kürzere Zeitabstände nur in Einzelfällen notwendig.

Erfolgversprechend sind auch erste Bemühungen in Richtung Prophylaxe der Autoimmunthyreoiditis. So gibt es noch nicht gesicherte Hinweise darauf, dass sich die Aktivität des Autoimmunprozesses durch sehr frühzeitige Verabreichung von Schilddrüsenhormon hemmen lässt. Auch Selen scheint zu einer Absenkung der Antikörper-Konzentration führen. Ob dies allerdings zu einem prognostisch günstigeren Verlauf der Erkrankung führt, konnte bislang nicht gezeigt werden.

Eine häufige Frage in der Praxis betrifft den Zusammenhang zwischen der Jodzufuhr und der Autoimmunthyreoiditis. Jod gehört zu den Faktoren, die den Autoimmunprozess stimulieren können. Die übliche Jodsalz-Prophylaxe dürfte wahrscheinlich ohne Risiko sein. Über den Einsatz von Jodid-Tabletten in niedriger Dosis (z.B. Jodid 200) muss individuell entschieden werden. Die Einnahme von Jod-Depot-Präparaten (z.B. Jodetten depot, enthält 1500 µg Jodid!) sollte jedoch unterbleiben. Keine Bedenken gibt es in Bezug auf die Einnahme von Jodid 200 in der Schwangerschaft!

Bleibt als Fazit: Die chronische Autoimmunthyreoiditis ist eine Schilddrüsenentzündung, die – bedingt durch Autoantikörper – zu einer langsamen Zerstörung von hormonproduzierenden Schilddrüsengewebes führen kann. Sie ist die häufigste Ursache für die Entwicklung einer Unterfunktion beim Erwachsenen. Die Entzündung verläuft schmerzlos, und wird oft zufällig bei ärztlichen Untersuchungen zur Abklärung von Leistungsabbau, depressiven Verstimmungen, Gewichtszunahme, Cholesterinanstieg oder ausbleibender Schwangerschaft entdeckt. Bei einem Teil der Patienten scheint eine genetische Disposition vorzuliegen, so dass bei Nachweis der Erkrankung weitere Familienangehörige untersucht werden müssen. Nicht selten tritt die Schilddrüsenentzündung kombiniert mit Zuckerkrankheit, Vitamin B 12-Mangel, Cortisol-Mangel oder anderen Autoimmunerkrankungen auf. Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Therapie der Wahl ist nach heutigem Kenntnisstand lediglich die Gabe von Schilddrüsenhormonen zur Behandlung der Unterfunktion. Jodhaltige Medikamente sollten erst nach Konsultation des Arztes eingenommen werden, da sie u.U. den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen.

Stand September 2016
Dr. Scheck